Vom Rätselhaften im vermeintlich Realen

Die Malerei von Beata Obst befindet sich in einer spannenden Balance narrativer Erzählweise und Abstraktion.

Alexandra Wendorf MA, 2018.10

Undefinierbare Räumlichkeiten, in denen sich menschliche Figuren befinden. Ihre Motivationen, Ziele oder ein sie näher bestimmender Kontext bleiben dem Betrachter verborgen. Beata Obst entwickelt in ihren Bildern eine Art Traumwelt, die trotz nahezu hyperrealistischer Malweise, irreal wirkt. Indem sie ihre menschlichen Protagonisten oftmals auf weiß-graue Hintergründe setzt, die eine örtliche, räumliche oder zeitliche Orientierung unmöglich machen, lässt sieeine faszinierende Distanz entstehen, die dem Betrachter eine Welt der eigenen Vorstellungen und individuellen Interpretationen ermöglicht. 

Die in hohem Maße ästhetisch wirkenden Kompositionen und Farbgebungen verleihen der Malerei Beata Obsts eine futuristische Urbanität und Kühle. Lichte Monochromie in gebrochenen Weißtönen werden mit Neonfarben akzentuiert. Flecken, Sprenkel oder Linien stören geradezu den hellen Hintergrund und verbergen teilweise die Figuren. Die vordergründige Ruhe, Harmonie und Schönheit werden negiert. Stattdessen wird eine wohlkalkulierte Spannung eingesetzt, die Vitalität und Energie vermittelt. Zugleich wird durch diese abstrakten Formen die angedeutete Räumlichkeit in die Fläche gezogen und die Figuren in noch unwirklichere inhaltliche und formale Bezüge versetzt. Der Mensch wirkt infolgedessen entrückt und in einer hermetisch geschlossenen Welt gefangen, die Sinnbild für das Schicksal Vieler sein könnte – Zusammen und doch allein, kommunikativ und doch unverstanden, betrachtet und doch nicht wahrgenommen.  

Beata Obst erschafft Werke, die es immer wieder aufs Neue zu entdecken und zu betrachten gilt, weil sie unergründlich, irritierend und geheimnisvoll sind. Sie entziehen sich jedweder naheliegenden Interpretation und werfen durch die Verbindung von scheinbar realistischer Darstellung, distanzierter Erzählweise und verhaltener Ästhetik Fragen nach Menschsein, Individualität und Kommunikation auf. Soziale und gesellschaftliche Assoziationen werden gleichermaßen aufgeworfen und bleiben doch soweit unbestimmbar wie die künstlerische Wirkung im Vordergrund steht. Ungeachtet der hohen darstellerischen Präzision und technischen Beherrschung des Mediums Malerei vermag Beata Obst nicht nur ambivalent Rätselhaftes abzubilden, sondern die Wahrnehmungskraft des Betrachters nachhaltig zu stimulieren.

Alexandra Wendorf MA
Kunsthistorikerin und ehemalige Mitarbeiterin von Christies in Berlin, ist Chefredakteurin einer Kunstzeitschrift.