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Die Öl-auf-Leinwand-Bilder der in Köln lebenden Malerin Beata Obst fallen dem Betrachter zunächst der völligen Unvermitteltheit und Distanzlosigkeit wegen ins Auge. Nichts Anekdotisches ist ihnen eigen.

Stephan Classen, 2009.03

Wenn nicht vor reinem Weiß, scheinen diese Frauenkörper über einem nicht eindeutig festzumachenden, beunruhigenden gräulichen Grund zu schweben, einem Tuch oder einer Tagesdecke vielleicht. Es gibt keinen Raum oder Vordergrund, der es zuließe, sich etappenweise zu nähern oder aber auf Distanz zu gehen.

Wir sehen eine noch junge Frau in einer enganliegenden Miederhose, mit ärmellosem knappem Unterhemd, die Haare einmal offen oder aber zu einem Zopf zusammengebunden. Wir sehen diese Frau entweder aus der Rückenansicht, kniend von vorne, in eingeigelter Stellung oder in Sprung- oder Drehhaltung. Immer ist das Gesicht entweder abgewendet oder aber von den Haaren überdeckt. Einzig eine farblich dunkler gehaltene Strumpfhose hebt sich vom ansonsten eher verwaschenen Weiß bis hin zum verblichenen Grau ab. – Es sind Gegensätze und Muster kontrastiver Doppelbewegungen, auch solche des Inneren, die die Kunst Beata Obsts kennzeichnen. Ihre ganze Aussagekraft scheint hierin zu liegen. In teilweise scharfen Pinselstrichen zeigt die Künstlerin in gleichsam realistischer Überbetonung die weibliche Figur in einem Magnetfeld zwischen sinnlich erotischer Lebensslust und (noch) kindlicher Schutzbedürftigkeit, zwischen Sehnsucht und Desillusion, Aggression und keuchem Sichzurückziehen, Wagemut und Verlegenheit, Hingabe und Verweigerung, Identität und Namenlosigkeit, Körperhaftigkeit und Unschuld. Eine Frau krümmt sich in sich, um sich im Inneren wiederzufinden, zu ertasten, neu zu erfinden; gleichzeitig greifen diese Hände und der Körper nach etwas Äußerem, nach dem anderen und suchen dort Halt und finden dennoch nur sich selbst.

Den Blick des Betrachters bannen diese Körper gerade in ihrer erotisch aufgeladenen Spannung, ja Sprengkraft, die sich dadurch äußert, dass sie sich fast seltsam offen, beinahe aggressiv zur Schau stellen und doch gleichzeitig scheu zu entziehen versuchen. Erst diese Gegenüberstellung ermöglicht letztlich der Künstlerin die Schaffung einer unabhängigen Existenz, eines inneren Gesprächs, das nun zwischen Malerin, Modell (Figur) und schließlich dem Betrachter fortgeführt und vollendet werden kann.

Stephan Classen