Turbulente Augenblicke

Norbert Küpper und Beata Obst präsentieren zwei gegensätzliche Ansätze der Malerei

Kölner Stadtanzeiger ·
Riehl ·
16.09.2008

Wenn an Sonntagnachmittagen im Kulturzentrum Villa Ignis die Jazzmusiker auf die Bühne treten, ist das nicht nur ein einfaches Konzert. Die Atmosphäre ist eine ganz besondere an diesem Ort der Begegnung, der einst als osteuropäisches Kulturzentrum gegründet wurde und längst zu einem internationalen Treffpunkt geworden ist. Trotz einiger zwangsweiser Veränderungen in den vergangenen 20 Jahren hat das Ignis seine einzigartige Atmosphäre immer bewahrt. Dafür sorgen nicht nur der rote Samtvorhang hinter der Bühne, die kleinen runden Marmortische und die sehr persönliche Bedienung im Café. Auch die regelmäßig wechselnden Kunstausstellungen an den Wänden tragen ihren Teil dazu bei.

Derzeit hängen dort die Bilder von Norbert Küpper und Beata Obst, die der langen Reihe der Künstler-Ausstellungs-Begegnungen ein weiteres Kapitel hinzufügen. Es ist eine Begegnung zwischen unsicher blickenden Augenpaaren und heftig bewegten Körpern. Und es ist die Begegnung einer Malerin von konzeptueller Strenge mit einem Künstler, der beim Malen alle Bedenken und Hemmungen hinter sich lässt.

Beata Obst gibt sich alle Mühe, das Bildgeschehen bis ins kleinste Detail genau zu beherrschen. Die Augen-Paare, die sie mit realistischer Genauigkeit auf die Leinwand malt, sollen die Aufmerksamkeit für feinste Unterschiede schärfen. Die Augen verraten alles über einen Menschen. In anderen Bildkompositionen verbindet die seit langem in Deutschland lebende gebürtige Polin das Motiv des Blicks mit der Bedeutung des Sexuellen und des Traumhaften. Ein Hauch von Traurigkeit und Verlorenheit liegt über ihren Bildern.

In Norbert Küppers Malerei ist es genau umgekehrt. Sein Versuch, den Bildraum zu kontrollieren, mündet in einer turbulenten Farbschlacht, in der sich seine Motive gerade noch behaupten können. Die schrundigen Farbkrusten setzen sich aus der Überlagerung unzähliger, vielfarbig schimmernder Schichten zusammen. Mit unbändiger Sattheit bringt Küpper Explosionen von Farben auf die Leinwand, von denen die angedeuteten Mensch-Tier-Mythengestalten überspült werden. Optimistischer könnte man sagen: Die Fugen lassen sich im hoffnungsvollen Vertrauen mitschreiben, dass die Fluten der Wirklichkeit sie schon irgendwie tragen werden. Küppers Bilder machen Lust und Angst zugleich. Vor allem aber lehren sie uns, dass alle Vorstellungen von der Sicherheit, Souveränität und Ruhe des “Ich“ sagenden Menschen lediglich Beschwörungen in der vieldeutigen Turbulenz des Lebens sind.

Nichts anderes bringt jeden Sonntagnachmittag von 15 bis 18 Uhr der rhythmische Sound junger Jazzmusiker zum Ausdruck. Jazz heißt: Eintauchen in den unaufhörlichen Fluss des Lebens, in dem Brüche und Harmonien nicht voneinander zu trennen sind. Und wenn beim Hören der Blick die Kunstwerke streift, wird deutlich, wie nahtlos eine Wahrnehmung in die andere übergeht.

Jürgen Kisters